Nebel im Meer
Sie sieht die Hand vor Augen nicht. Es ist dichter Nebel. Als Mensch ist man in so einer Situation sehr vorsichtig!
Nebel in der auditiven Welt der Wale. Wie ist das für sie, wenn ihr Ton nur noch eine begrenzte Reichweite hat. Es gehört für viele Walarten zum Alltag, dass die eigenen Sounds nicht mehr so weitreichend schwingen, wie sie könnten. Das ist besonders für die Wale, die sich viel zu sagen haben, die Belugas, ein Thema. Während ich das schreibe, fährt auf dem Nachbargrundstück ein Trecker auf und ab – es ist laut. Habe ich dann Lust mich angeregt zu unterhalten? Sicher nicht. Die Konsequenz ist immer dieselbe, man beschränkt sich auf das Wesentliche in Kurzform. So geht es auch den Walen.
Oder man wechselt den Ort. Wenn das aber bedeutet, das perfekte Habitat zu verlassen, überlegt man sich das zweimal.
Sounds, die auf hölzernen Schiffen zu hören sind
Sie zirpen, quietschen, pfeifen in einer Tour. Deswegen nennt man sie auch die Kanarienvögel der Meere. 28 verschiedene Töne bietet ihr Repertoire, welche früher durch die Holzrümpfe der Schiffe gehört werden konnten.
Wenn sie sich allerdings beim Namen rufen, den sogenannten Kontaktruf aussenden, hört es sich eher wie eine rostige, knarrende Tür an.
II Pause
Wissenschaftler sind sich sicher, dass jetzt die epochale Chance eines leiseren Ozeans für Forschungszwecke genutzt werden muss(te). Doch was fällt in Krisenzeit zuerst nach hinten rüber? Genau! Kultur, Gemeinnütziges und Forschung. Die Welt hat die Pausentaste in vielen Bereichen gedrückt und leider kann diese unerwartete Lücke und einzigartige Chance für die Forschung oft nur durch Eigeninitiative und mit eigenen Mittel genutzt werden.
Steckbrief Beluga
Belugas leben in den kälteren Gewässern der Arktis, also nur auf der nördlichen Halbkugel. In den Gebieten, in denen es monatelang dunkel ist, also klar, was für eine gute Soundübertragung wichtig ist. Sie leben nur halb ohne ihre eingebaute HiFi- Anlage.
Sie werden 3 – 6 Meter lang, kommen grau zur Welt und ändern ihre Farbe im Laufe ihres Lebens zu immer weißer. Deswegen ihr Name Weißwale oder delphinapterus leucas. Sie sind Zahnwale, gehören in die Gattung der Delfine, nahe Verwandte sind die Narwale. Sie können als einzige Walart ihren Kopf drehen, die Halswirbel sind nicht wie bei anderen Delfinen verwachsen und tummeln sich in sehr großen Gruppen. Sie haben sogar eine begrenzte Mimik, die aber nicht wie bei uns Menschen, ein bestimmtes Gefühl ausdrückt.
Interessant ist noch, dass der Eisprung durch die Paarung ausgelöst wird. Diese findet meist in den Monaten April – Juni statt.
Schwierige Bedingungen
Da sie keine Wanderungen im großen Stil unternehmen, leiden sie sehr unter einer verschmutzten Umwelt. Kanadas Industrieabwässer der Flüsse landen natürlich auch im Meer. Belugas waren eine der ersten Spezies die Tumore (am Verdauungstrakt) in besonders verschmutzen Gebieten entwickelt haben, z.B. an der Mündung des St. Lorenz Stromes. Die Schwermetallbelastung hst sich in den letzten 150 Jahren verzehnfacht. Tumorbildung kommt bei Meeressäugern sonst sehr selten vor.
Belugas, die von sich reden mach(t)en
Ausnahmen bestätigen die Regel: 1966 schwamm ein Beluga den Rhein entlang und zum Glück nach einiger Zeit wieder zurück ins offene Meer.
Ins Rampenlicht sind die Belugas auch im letzten Jahr gerückt als knapp 100 von ihnen in russischer Gefangenschaft gefilmt wurden. Sie waren vermutlich für den chinesischen Markt bestimmt. Mittlerweile sind diese Wale wieder frei gelassen worden – auf Druck einer großen Öffentlichkeit.
Außerdem macht Hvladimir von sich reden. Ein Beluga aus Russland (er trug Geschirr aus einer Einrichtung aus St. Petersburg), der in Norwegen aufgetaucht ist und Kontakt zu Fischern gesucht hat. Augenscheinlich war er an Menschen gewöhnt. Ob er nun vom Militär kommt oder aus einem Therapiezentrum ist noch nicht geklärt. Er trug eine Kamera – GoPro Halterung – auf dem Rücken.
Wal-Sanctuary endlich
Im Fokus stehen auch Little White und Little Grey zwei Belugaweibchen, die gerade ihren Altersruhesitz in einer isländischen Lagune bezogen haben. Dabei sind sie mit ihren 13 Jahren noch gar nicht im Rentenalter 😉. Dennoch ist es das Sea Life Sanctuary sicher der bessere Platz zum Leben als in einem chinesischen Walforschungszentrum, aus dem sie kommen. Diese Lagune ist vor Stürmen geschützt, es gibt keinen Schiffsverkehr und keine direkte Verschmutzung. Zurzeit sind die beiden Damen noch im Pflegebereich, demnächst wird ihnen die ganze Lagune zur Verfügung stehen. Die Lagune ist für den Publikumsverkehr geöffnet. Die Wale können dort bestaunt werden.
Globalisierung verantwortlich für den Lärm
Zurück zu den freilebenden Belugas. Was verursacht den Lärm? Es sind die Containerschiffe, Frachter, Fähren – die Waren, die wir aus aller Welt kaufen, die das ohnehin laute Medium Meer, für die Wale auditiv vernebeln. Es sind unsere T-Shirts, unsere Sportschuhe, die Technik, das Öl und so vieles mehr, was auf den Weltmeeren hin- und her transportiert wird. Regional, lokal, Made in Europa ist aktueller denn je.
Wie viele andere Meeressäuger sind Belugas auch sehr sozial. Selbst, wenn es immer wieder Einzelgänger gegeben hat, leben sie in Familien – Subgroups – zusammen und in Paarungszeiten wurden an Flussmündungen schon bis zu 5000 Wale gezählt! Was muss das für ein ohrenbetäubendes Konzert gewesen sein, denn Belugas haben sich viel zu erzählen, um nicht zu sagen, sie sind geschwätzig 😊.
Susanne