Dieser Punkt stand ganz sicher nicht unter den Top 10 auf der Liste „Was ich mir in diesem Leben noch erfüllen möchte“. Ich hatte mich nie damit beschäftigt.

Auf unseren Reisen und vor Ort auf La Gomera liegt mir respektvolles Whale Watching und die Art und Weise wie wir Delfinen und Walen begegnen sehr am Herzen. Wir sind zu Gast bei den Meeressäugern. Sie sind die Gastgeber. Wir fahren meistens in ihrem Schlaf- und Wohnzimmer spazieren. Es ist nicht nur der Aspekt ihres Schutzes und der Nachhaltigkeit, der für uns zählt. Noch mehr, dass wir erwünscht sein und nicht stören wollen – und ganz sicher kein Stressfaktor! Wir möchten es ihnen überlassen in Kontakt mit uns zu treten.

Wale und Delfine leben in einer komplexen Gesellschaft und in einer dreidimensionalen, schwerelosen Welt, die nicht unsere ist. Nur für sehr kurze Zeit können wir uns in ihrer tiefblauen Welt aufhalten, bzw. mit Booten aufs Meer fahren und sie besuchen.
Und doch können wir ihnen begegnen. Zurzeit sind wir auf einer Reise durch Baja California von Bucht zu Bucht auf den Spuren der großen Wale. Dazu gehören natürlich auch die Grauwale.
Die 13 – 15 m langen Wale (nach einem Herrn Gray benannt) nehmen lange Wanderungen von bis zu 6000 km Oneway auf sich, um in den seichten mexikanischen Buchten der Baja California zu gebären und sich zu paaren. Früher wurden diese Wale hier stark bejagt, was glücklicherweise Anfang der 50er Jahres des vergangenen Jahrhunderts aufhörte. Schon kurze Zeit später nahmen Fischer in Kalifornien, die ersten Gäste zu den Grauwalen mit aufs Meer. Hier hat der touristische Zweig namens Whale Watching seinen Ursprung. Das war der Beginn einer hoffentlich noch lange andauernden Freundschaft zwischen Grauwalen und Menschen.

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Es gibt viele freundliche Grauwale, die den kleinen mexikanischen Lanchas mit nicht mehr als 10 Personen, nahe kommen. Es ist die einzige Walart, der man zum Streicheln nah kommen kann,(was nicht immer passiert) Es ist nicht immer so!! Doch nicht selten schwimmen sie unter dem Boot hin- und her, tauchen direkt neben dem Boot auf, atmen und ein feiner Sprühregen – ihr Blas – macht uns alle nass (Vorsicht Kamera!). Oder sie strecken den Kopf direkt neben dem Boot aus dem Wasser. DIREKT neben dem Boot. Sie suchen wirklich die Begegnung den Booten, zu den Menschen. Es ist unglaublich, dabei zu sein und es live zu erleben.

Oft ist es so, dass die Kälber mit den Menschen an Bord spielen dürfen und die Mütter entspannt und doch sehr aufmerksam daneben liegen und das Ganze geschehen lässt. Manchmal erlauben sie es allerdings auch nicht!
Welches andere Wildtier gibt Menschen ihre Nachkommenschaft zum Spielen? Und sie mögen es, wenn man ihnen Wasser ins Gesicht spritzt, sie lieben offensichtlich dieses Gefühl. Sie erlauben es uns, sie zu anzufassen und zu berühren. Das wiederum berührt uns – ganz abgesehen von diesem einmaligen haptischen Erlebnis. Sie sind weich und zart wie Seide und gleichzeitig fest wie Gummi.
Ich spüre diesen Hautkontakt jetzt noch, kann das Empfinden jederzeit wieder hervorrufen. Grauwale sind dafür bekannt, dass sie Seepocken und Läuse auf ihrer wunderweichen Haut haben (Es sind 4 verschiedene Parasiten, die man auf ihren Körpern findet). Und diese jucken manchmal, so kommt eine Menschenhand, die ein bisschen kratzt und schuppert gerade recht!

Das erste „freundliche“ Zusammentreffen mit einem Grauwal wurde in 1976 dokumentiert. Der Wal bekam den Namen „Nacho“. Im Jahr darauf war es die Grauwaldame „Amazing Grace“, die den Kontakt besonders zu einem Schlauchboot eines Forscherpaares suchte. Jede Walsaison wurden es mehr „freundliche“ Wale. Scheinbar hatte es sich auch unter den Walen „rumgesprochen“, dass sie mit dieser komischen Spezies in den Booten Spaß haben konnte. Vorteilhaft ist es auch das eigene Baby mal in der „Menschenkita“ abzugeben und die eingespannte Mutter mal kurzfristig von ihren anstrengenden Aufzuchts-Pflichten entbunden ist.
Immer, wenn wir so eine Begegnung der besonderen Art mit ihnen hatten, dachten alle: Ok, das ist nicht mehr zu toppen! Steigerungen scheinen aber immer möglich zu sein. Nachdem wir auf der ersten Ausfahrt schon alle einen Wal berührt hatten (das kommt wirklich nicht immer vor!!), kamen wir glücklich mit strahlenden Augen und einem Dauergrinsen im Gesicht in unser Hütten-Camp direkt am Meer zurück.
Bei einem Abendspaziergang am Strand sinnierte ich über den Wal Kuss nach. Die Kapitäne hatten uns immer wieder aufgefordert die „30 – 40 Tonner“ ruhig zu streicheln und zu küssen. Ich dachte, dass es unnötig ist einen Wal zu küssen und bis dato wäre ich im Leben nie auf die Idee gekommen, einen Wal zu küssen. Ist das die richtige Form der Begegnung zwischen Mensch und Wal?

Am nächsten Tag waren wir natürlich wieder draußen bei ihnen, deswegen waren wir ja hier – fernab der Zivilisation in der Wi-Fi freien Zone mit Kompostklo. Außerdem von Walen an sich, aber von Grauwalen im Besonderen kann man ja nie genug bekommen – jede Ausfahrt ist anders und wir durften so viele unterschiedliche Verhaltensweisen erleben.
Wieder hatten wir einige „friendly whales“, wie sie vor Ort genannt werden, am Boot. Mum und Kalb spielten hin und her, blieben am Boot. Auch die Mutter war sehr interessiert. Blieb in der Nähe und ließ sich anfassen und rubbeln.

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Und dann nahm sie direkt vor mir ihren Kopf aus dem Wasser. Streckte mir ihren Kopf entgegen, direkt am Boot, direkt vor mir. Ich konnte nicht anders. Ich dachte nicht mehr darüber nach. Ich tat es!
Ich glaub, selbst beim Schreiben, bin ich jetzt etwas rot geworden… Es war nur ein schüchterner, flüchtiger Kuss, der mich fast umgehauen hat, weil die Grauwalmutter mit einer ganz schönen Wucht ihren Kopf aus dem Wasser hob! Verlegen wie ein Teenie stellte ich ganz norddeutsch, trocken fest: Oh, jetzt hab ich doch einen Wal geküsst, das wollte ich doch gar nicht.

Ich konnte nicht anders Der erste Kuss geht tief und man vergisst ihn nie…

Susanne Braack

Der Vidoclip auf Youtube dazu.

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