Mensch und Wal: Körperkontakt ist essentiell. Das Kalb rollt sich auf den Rücken der Mama. Mehrfach. Mal mit dem Rücken, mal mit dem Bauch liegt es auf ihr. Es ist rundlicher geworden in gerade mal zwei Wochen seit wir das letzte Mal hier waren.
Wir erkennen es wieder an den Flecken, Zeichnungen und Seepocken auf seiner weichen und doch festen Walhaut. Es kann länger tauchen und die Fluke schon etwas mehr heben. Auffällig ist auch, dass viel Wert und Zeit auf Training in der „Gegenstromanlage“ am sogenannten Mouth – dem Ein- bzw. Ausgang zum Pazifik – gelegt wird.
Wir sind in der San Ignacio Lagoon – Teil des Vizcaina Biosphären Reservats in der Baja California Sur, wo die Lagune in den Pazifik mündet, gibt es starke Strömungen, die die Walmütter als Fitnessstudio für ihre Wal Babies nutzen, um sie vorzubereiten auf die lange Reise nach Alaska.
Diese Wal Babies, die hier in der Lagune geboren werden und somit die mexikanische Staatsbürgerschaft besitzen, verbringen hier mit ihrer Mama, die hoch achtsam über ihren Augenstern, ihr ein und alles wacht, 75 – 90 Tage. Dabei trinken sie viel fetthaltige Milch und wachsen jeden Tag 2 – 3 Zentimeter. Ende März oder Anfang April je nach Geburtstermin soll es dann auf die lange Reise gehen. Das Mutter und Kalb Team macht sich auf den Weg und verlässt die geschützte Lagune. Strömungen, Winde und Schwertwale können ihnen auf der bis zu 6000 km langen Reise zu schaffen machen.
Jedes Mal, wenn ich ein Wal Baby streichele, wünsche ich ihm innerlich eine gute Reise. Mit ihnen reist die Hoffnung auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr.
Wobei die „Einjährigen“ in ihren ersten Lebensjahren meist gar nicht so weit zurückkommen nach der „Erntezeit“ in Alaska. Sie haben in den seichten pazifischen Lagunen keinen Job zu verrichten. Sie sind noch nicht geschlechtsreif (das werden sie im Alter von 7 – 9 Jahren) und oft reisen sie nur einen Teil der Strecke mit zurück. Wenn sie dann langsam fruchtbar werden, kommen sie schon mal mit in die Lagunen, um zu schauen, wie die Paarung denn so von statten geht. Unter den Männchen geht es dabei nämlich ganz schön zur Sache. Da wird mit z.B. ihren „Pink Floyds“ (umgangssprachlich Grauwalpenis) gekämpft.
Der 3 tägige Aufenthalt im Grauwalcamp ist Highlight und Herzstück unserer Vamos Baja Reise.
Das ist allerdings nur etwas für Natur liebende, flexible und offene Menschen, denn wir gehen offline (ja, das gibt es noch), wohnen in Holzhütten, duschen mit Eimer und Becherchen, essen einfache Gerichte, begegnen Koyoten am Strand, sehen im orangefarbenen Sonnuntergangslicht Große Tümmler durch das Lagunenwasser streifen, zählen Fischadler, Pelikane und viele Sterne und treffen dabei auch noch viele bemerkenswerte Menschen.
Denn wen es auf dem Boot nicht erwischt, der hat noch die Chance an Land von dem liebe- und respektvollen Team dieses einzigartigen Familienbetriebs weichgespült und berührt zu werden. Wenn Carlos seine Gitarre oder Sharanga auspackt und tiefgründige und gefühlvolle Lieder spielt, bleibt vielen der Mund offen, weil man so viel Spirit in diesem einfachen Camp ohne ökologischen Fußabdruck gar nicht erwartet hat.
Als er am Ende das Lied für die Grauwale zum Besten gibt, hat es auch den letzten „erwischt“ und einige Tränen rollen über die eine oder andere Wange.
Einmal – oder wer mag auch zweimal – pro Tag geht es auf Tour, um die Grauwale zu treffen. Ich war sehr gespannt darauf, dies Jahr zweimal vor Ort zu sein. Würden 2 Wochen Abstand einen Unterschied im Verhalten der Grauwale geben?
Ja, die gab es: Die „kleinen“ Wal Babies sind etwas rundlicher, sie können länger tauchen, entfernen sich weiter von der Mutter. Einige Mutter und Kalbpaare erkennen wir wieder.
Bei unserem ersten Aufenthalt waren noch 135 Mutter/Kalb Paare in der Bucht und 130 Einzeltiere. Als wir beim zweiten Mal ankamen war der Stand bei 110 Müttern mit Nachwuchs und 7 Einzeltieren, die nächste Zählung ergab 109 Mütter und Kälber und kein Einzeltier ( = Männchen und Weibchen ohne Kälber, die wieder schwanger geworden sind). Die Mutter und Kalbpaare machen sich immer als letztes auf den Weg. Bevor die lange Reise beginnt, nehmen sich noch oft Zeit mit den Booten zu spielen….
Wir möchten Euch wieder sehen und uns berühren lassen, in dem wir euch berühren!
Übrigens geben die Grauwale auch Töne von sich. Ihre Töne sind eher im tiefen Bereich. Interessant sind die vordergründigen Geräusche in der Lagune, die von Krustazeen produziert werden. Einige Soundbeispiele sind hier zu finden: Töne von Grauwalen
Auf meiner letzten Tour im letzten Moment – ein Teil von mir möchte allerdings gar nicht weg, während der andere sich schon auf europäisches Essen freut – gibt es eine satte Waldusche: Eine volle Ladung Wasser spritzt die Grauwalmama übers Boot, welches sie aus ihrem Blasloch hoch gepumpt hat. Meerwasser und Tränen laufen mir über das lachende Gesicht – ich sitze still und dankbar da – was hatten wir für wunderbare Begegnungen!
Die Welt wäre ärmer ohne dieses Fest zwischen Wal und Mensch. Danke und Gute Reise carinos!
Susanne Braack
(Fotos: OCEANO MEERZEIT Reisen, Susanne Braack)
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