Für eine hungrige Seepocke scheint der Rand des Blaslochs auf einem Bartenwal nicht der schlechteste Platz zu sein. Wenn der Wal durch eine Planktonwolke schwimmt, um zu fressen, bekommt die Seepocke, die sich ebenfalls von diesen winzigen, schwimmenden Organismen ernährt, ihre Nahrung frei Haus geliefert (Essen auf Flossen sozusagen). Alles was sie tun muss, ist ihren haarigen, filternden Arm zu verlängern und zu warten…
Seepocken besiedeln regelmäßig die Haut von den filtrierenden Walen – und das tun sie oft in riesigen Mengen. Zum Beispiel kann ein Buckelwal oder Grauwal Gastgeber für 1000 Pfund Seepocken sein. (Das hört sich sehr belastend an, aber in Relation zum Gewicht des Wals von ca. 80.000 Pfund, ist das Extra-Gewicht in etwa so, wie Sommerkleidung für einen Menschen).
Seepocken mit Wal-Heimat sind nicht einfach Seepocken mit Wanderlust, sie sind eine Spezies, die meistens einzigartig zur Walart ist, auf der sie huckepack reisen. Die Seepocke Coronula diadema lebt nur auf Buckelwal-Haut, während Grauwale Gastgeber für Cryptolepas rhachianecti sind.
„Zunächst einmal:“ Wie kommen die Seepocken nun auf die Wale? Wie andere stationäre marine Wirbellose beginnen sie ihr Leben als Larve: Winzige, muschellose Schwimmer, die einen Platz finden, um sich nieder zu lassen und sich dann in die kräftige Pocke verwandeln, die wir kennen. Das ist leicht gesagt, wenn du dich einfach nur an einem unbeweglichen Stein fest kletten willst, aber ein schwimmender Wal…?
„Wir wissen wirklich nicht, wie sie es machen“, sagt John Zardus, ein Meeresbiologe vom Citadel Militär College in Charleston, South Carolina. In den letzten 6 Jahren hat Zardus die Seepocken, die auf verschiedenen Meerestieren inklusive Walen leben, erforscht. „Diese mikroskopischen Larven, die im riesigen Ozean umher schwimmen – wie finden sie einen Wal? Es erscheint wirklich absurd.“
„Forschungsarbeit an Seepocken ist rar, sagt Zardus, denn sie sind nicht die einfachsten Viecher, die man rausfischen kann. Die Larven sind klein und schwierig von anderen Seepockenarten zu unterscheiden und die ausgewachsenen Larven sind so tief in der Haut ihres Herbergsvaters (oder Mutter) eingelassen, dass sie aus dem Fleisch rausgeschnitten werden müssen. Zardus bekommt nur an Proben, wenn es einen gestrandeten toten Wal gibt, wo er ein Stück rausnehmen kann – aber wenn er zu lange wartet, ist auch die Seepocke tot.
Meeresbiologen vermuten, dass die Seepocken sich während der Paarungszeit der Wale vermehren, wenn der Wal in warmen, seichten Gewässern rumschwimmt, statt sich schnell durch den offenen Ozean zu bewegen. „Wenn das wahr ist, schwimmen die Wale in einer dicken Suppe aus Larven“, sagt Zardus. Jedes Seepocken-Elternteil kann 10.000 bis 20.000 Larvenbrut ins Meer lassen und diese überleben sogar einige Wochen im Wasser. Wenn ein Wal vorbei schwimmt, so vermutet die Wissenschaft, nimmt die Larve ein chemisches Signal wahr, welches ihr sagt: Aufspringen!
Ein Wal bietet sehr viel Platz. Aber diese kleinen Kletten sind sehr wählerisch. Sie lieben Stellen mit kontinuierlichem Wasserfluss, wie den Kopf oder die Finnen, erklärt Zardus. Anstatt sich einfach da niederzulassen, wo sie eben landet, nutzt die Larve ihre vordere Antenne, um auf dem Wal herum zu laufen und so das beste „Real estate“ Grundstück (Meerblick inbegriffen) zu finden. Und das ist kein Spaziergang! Wenn die Seepockenlarve die Größe eines Menschen hätte, wäre der Wal in Relation fast 40 km lang. Zum Glück produziert die Larve einen klebrigen Zement, der sie bei ihrer Pilgerreise über den Wal vom Abrutschen in den Ozean bewahrt.
„Es kann sein, dass sie lange Zeit über einen Wal trekken, bis sie den Platz gefunden haben, den sie suchen. Das ist nicht zufällig“, berichtet Zardus.
Wenn sie mit ihrem Ort zufrieden ist, gräbt sich die Seepocke ein – im wahrsten Sinne des Wortes. Beim Heranwachsen bilden die Schalen der Seepocken röhrenartige Formen aus, die Vertiefungen in der Haut der Wale hinterlassen. Das Ergebnis ist ein Anhaften – so fest verwurzelt, wie das schlimmste Unkraut.
Die Seepocken-Wal-Beziehung wird generell als verpflichtender Kommensalismus eingestuft – eine Form von Symbiose, bei der eine Spezies einen Benefit hat und die andere Spezies nicht beeinträchtigt wird. Dennoch ist es möglich, dass zu viele Seepocken den Wal nerven oder Infektionen hervorrufen, wenn sie sich zu tief in das Walfleisch hineinbohren, sagt Zardus. Auf der anderen Seite nützen sie Buckelwalmännchen, die miteinander um Weibchen kämpfen, wenn sie einander schlagen und rammen, denn da können die scharfen Seepocken zu einem echten Schlagring werden.
Und dann wären da noch die Walläuse… weitere Hitchhiker in der Galaxie unserer Ozeane !
Scieneline 2017